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Unsere Wirtschaft wird immer globaler. Mittlerweile ist es auch für kleine Unternehmen nicht mehr ungewöhnlich Güter und Dienstleistungen, die sie für ihren Betrieb benötigen, aus dem Ausland zu importieren. Dabei kann es aber zu einer umsatzsteuerlichen Besonderheit, dem sogenannten Revers-Charge-Verfahren und der damit verbundenen Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers kommen.

Was bedeutet Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers?

Das deutsche Umsatzsteuergesetz sieht vor, dass der Unternehmer, der einen steuerbaren Umsatz erzielt, die hierauf entfallende Umsatzsteuer ermittelt, in Rechnung stellt, vereinnahmt und an das zuständige Finanzamt abführt.Dies ist die so genannte Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.

Dieser Grundsatz wird durch ein Verfahren durchbrochen, das vorsieht, dass die Steuerschuldnerschaft stattdessen auf den Leistungsempfänger, also denjenigen, der die Leistung einkauft und bezahlt, übergeht.

Im Englischen wird die Umkehr der Steuerschuldnerschaft als „Reverse Charge“ bezeichnet. Der Begriff hat sich mittlerweile international durchgesetzt.

Unter welchen Voraussetzungen greift das Revers-Charge-Verfahren?

Zu einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft kommt es nur, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Beim Leistungsempfänger muss es sich um einen Unternehmer im Sinne des UStG (dazu zählen auch die Kleinunternehmer nach § 19 UStG) oder um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handeln.
  • Der Leistungsbringer muss im Ausland ansässig sein und im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze tätigen

Für Privathaushalte und für Personenvereinigungen ohne Unternehmerstatus greift das Reverse-Charge-Verfahren nicht.

Darüber hinaus sind auch Unternehmer und juristische Person des öffentlichen Rechts nur dann betroffen, wenn zusätzlich einer der in § 13b UStG verankerten Tatbestände vorliegt.

Unser Tipp:

Mit einer Buchhaltungssoftware kannst du auf deinen Rechnungen direkt vermerken, ob eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers vorliegt. Ein Klick genügt und der Hinweis ist auf der Rechnung angegeben.

Wann kommt es zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG?

Das Reverse-Charge-verfahren kommt nicht bei allen Auslandsgeschäften zum Einsatz, sondern nur in den in § 13b UStG verankerten Fällen. Die Norm unterscheidet insgesamt 12 Gruppen von Leistungen, die die Umkehr der Steuerschuldnerschaft induzieren.

Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fälle skizzieren wir in der nachfolgenden Tabelle:

Art der Leistung Rechtsgrundlage
Nach § 3a Absatz 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers; hierzu zählen insbesondere Dienstleistungen, die aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat importiert werden. § 13b Abs. 1 UStG
Werklieferungen und sonstige Leistungen eines außerhalb des Gemeinschaftsgebiets im Ausland ansässigen Unternehmers. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens. § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen. § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG
Emissionszertifikate § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG
Lieferung von Schrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen gemäß Anlage 3 des UStG. § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen § 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG
Lieferung von Gold mit einem bestimmten Feingehalt und in bestimmten Verarbeitungsformen. § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte mindestens 5 000 Euro beträgt; § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG
Lieferung von Metallen gemäß Anlage 4 des UStG § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG

Wann geht die Steuerschuldnerschaft nicht auf den Leistungsempfänger über?

Auch wenn obige Kriterien erfüllt sind, geht die Steuerschuld nicht immer auf den Leistungsempfänger über.

Die Ausnahmen sind in § 13b Abs. 6 UStG geregelt. Dazu zählen folgende Leistungen:

  • Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 UStG) unterliegt
  • Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG durchgeführt worden ist,
  • grenzüberschreitende Personenbeförderung im Luftverkehr,
  • Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland
  • sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht
  • Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt

Welche Konsequenzen hat die Umkehr der Steuerschuldnerschaft?

Wenn die oben erläuterten Voraussetzungen erfüllt sind und das Reverse-Charge-Verfahren greift, bedeutet diese, dass der Unternehmer, der die Leistung erbringt, keine Umsatzsteuer in Rechnung stellt.

Stattdessen muss der Unternehmer oder die juristische Person des öffentlichen Rechts, die die steuerbare Leistung erhält, die auf die Leistung entfallende Umsatzsteuer gemäß den inländischen Bestimmungen ermitteln, im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung deklarieren und an das zuständige inländische Finanzamt abführen.

Sofern der leistende Unternehmer seinen Unternehmerstatus nachweist, etwa durch eine Umsatzsteueridentifikationsnummer, darf der Leistungsempfänger neben der Umsatzsteuer in aller Regel auch Vorsteuer in gleicher Höhe deklarieren und anmelden. Umsatzsteuerschuld und Vorsteuerforderung saldieren sich dann, so dass es nicht zu einer Zahlung an das Finanzamt kommt. 

Beispiel:

Die X-GmbH aus München beauftragt die in Wien ansässige IT-Expertin Maria Müller damit, sie bei der Entwicklung eines speziellen Computerprogramms als Beraterin zu unterstützen. Das vereinbarte Honorar beträgt 10.000 Euro.

Hierbei handelt es sich um eine sonstige innergemeinschaftliche Leistung nach § 13b Abs. 1 UStG. In diesem Fall stellt Frau Müller eine Rechnung über 10.000 Euro ohne deutsche oder österreichische Umsatzsteuer aus. Die X-GmbH muss die auf das Honorar entfallende deutsche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % bzw. 1.900 Euro gegenüber dem zuständigen deutschen Finanzamt deklarieren. Gleichzeitig kann sie Vorsteuer in gleicher Höhe geltend machen. Effektiv kommt es in diesem Fall also nicht zu einer finanziellen Belastung des Leistungsempfängers, er hat aber den bürokratischen Aufwand zu tragen.

Musterrechnung

Die Rechnung muss grundsätzlich den Anforderungen des § 14 UStG genügen. Allerdings darf die sie keine Umsatzsteuer ausweisen, sondern stattdessen einen Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren enthalten.

Dafür kann folgende Formulierung verwandt werden:

Hinweis zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Reverse-Charge-Verfahren):

Die Umsatzsteuer muss vom Leistungsempfänger gemäß den Bestimmungen seines Sitzstaates berechnet, deklariert und an das für ihn zuständige Finanzamt abgeführt werden.

FAQ – Häufige Fragen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft

Warum Reverse Charge?

Das Verfahren gewährleistet, dass die Umsatzsteuer in dem Land anfällt, in dem die Leistung wirtschaftlich verwertet wird.

Was ist Paragraf 13b UStG?

Diese Norm regelt die Fälle, in denen das Reverse-Charge-Verfahren greift und die Ausnahmen, bei denen es nicht zur Anwendung kommt.

Wer ist der Leistungsempfänger?

Der Leistungsempfänger ist der Kunde, also der Unternehmer oder die juristische Person des öffentlichen Rechts, die die Leistung in Auftrag gegeben hat und wirtschaftlich verwertet.

Was ist eine innergemeinschaftliche sonstige Leistung?

Hierzu zählen insbesondere alle innergemeinschaftlichen grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Außerdem qualifizieren sich auch Verpflichtungen, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden als sonstige Leistungen. Das gleiche gilt für die Abtretung von körperlichen Gegenständen.

Fazit

Das Reverse-Charge-Verfahren ist ungewöhnlich, finanziell ist es für die betroffenen Unternehmer aber vorteilhaft, da es die Liquidität schont. Anders als im klassischen Umsatzsteuersystem muss der Leistungsempfänger die Mehrwertsteuer nicht an den Lieferanten auszahlen, sondern lediglich gegenüber dem Finanzamt deklarieren. Da ihm in aller Regel ein Vorsteuerabzug in gleicher Höhe zusteht, saldieren sich die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt, ein Mittelabfluss findet nicht statt.